Die digitale Zukunft hat gerade erst begonnen
Interview mit Stefan Feldmann, CEO der STF Gruppe
Eigentlich ist STF-Geschäftsführer Stefan zu Beginn der Weihnachtszeit noch mehr unterwegs als sowieso schon im Rest des Jahres. Denn die Adventswochen nutzt der Familienunternehmer, um jeden der 16 STF-Standorte zu besuchen und mit den Mitarbeitenden ins Gespräch zu kommen. Für den Rückblick auf das Jahr „verschwendet“ er dabei nur wenig Zeit. Bei seinen Besuchen geht es vornehmlich um Zukunftsthemen „Wie werden wir in 20 oder 30 Jahren leben? Welche Technologien dominieren?“ Über solche und ähnliche Fragestellungen diskutiert Stefan leidenschaftlich mit seinen Teams. Aufgrund von Corona fallen diese vor-Ort-Gespräche und Diskussionen aus. Stattdessen wird es ein großes virtuelles Winter-Event geben. Das STF Magazin wollte aber schon einmal vorab wissen, mit welchen Themen sich Stefan derzeit beschäftigt. Wir trafen ihn deswegen im neuen STF Büro in Münster, welches im März bezogen wird.
Folgendes Statement stammt von Dir: „Ich bin kein Historiker, sondern Unternehmer, mich interessiert vorrangig die Zukunft“. Gilt dies immer noch?
Stefan: Der Blick in die Vergangenheit ist immer wichtig, Zusammenhänge zu identifizieren und zu analysieren ist essenziell, um die Gegenwart zu verstehen und die Zukunft zu gestalten. Aber es stimmt schon, ich bin kein Historiker und am Ende eines Jahres interessiert es mich mehr, was das nächste Jahr bringt, als das, was in den zurückliegenden 12 Monaten passiert ist.
Dann wollen wir hier uns auch nicht mit einem Rückblick aufhalten. Kannst du uns ein paar Einblicke geben, mit welchen Zukunftsthemen du dich gerade auseinandersetzt?
Stefan: Zum Beispiel mit dem Glasfaser– und 5G Ausbau
Das ist nicht verwunderlich. Ein wichtiges Geschäftsfeld der STF Gruppe ist ja die Telekommunikation.
Stefan: Richtig. Meine Gedanken drehen sich hier aber nicht darum, ob die von der Politik gesteckten Ziele hinsichtlich des Ausbaus der nächsten Jahre erfüllt werden. Diese sind aus meiner Sicht grundsätzlich zu wenig ambitioniert und berücksichtigen schon gar nicht unsere zukünftige Lebensweise. Wenn es um das Thema Vernetzung geht, wird meist von Verantwortlichen nur der gegenwärtige Stand der Technik bedacht. Innovationen und die Zukunft werden dabei meist unberücksichtigt gelassen. Wenn es um den Breitband- und Netzausbau geht, wird die Frage gestellt, wie wir es schaffen können, dass zwei Personen in einem Haushalt gleichzeitig eine Online-Konferenz abhalten und zwei weitere Filme streamen können. Leider funktioniert das ja immer noch nicht überall in Deutschland. Dennoch ist das zu kurz gedacht. Die digitale Zukunft hat gerade erst begonnen. Wer denkt, E-Commerce und Social Media wären die Endstufe der Digitalisierung, irrt gewaltig. Wir stehen gerade erst am Anfang der digitalen Zukunft. Dementsprechend muss über den Ausbau der Infrastruktur, welche Enabler der digitalen Zukunft ist, ganz anders gedacht werden.
Wie genau sieht denn die digitale Zukunft aus und was bedeutet das für den Ausbau?
Stefan: Nun, wir hätten uns ja hier nicht persönlich treffen müssen, sondern hätten genauso gut eine Online-Konferenz abhalten können. Nach der Phase des Online-gehens und dem gegenwärtigen ständig online sein, kommt bald die Phase, in der physische Welt und digitale Welt verschmelzen. Die einen nennen es Metaverse, andere Omniverse und wieder einige ganz anders. Für ein Treffen wie dem heutigen, hätte dieses Konstrukt zufolge, dass du tatsächlich in Münster im Büro vor Ort für unser Gespräch sein könntest, andere Teilnehmer wiederum hätten auch vor Ort sein können, allerdings nicht physisch, sondern repräsentiert durch ein digitales Abbild. Ich nenne es hier Hologramm. Diese Hologramme können ultrarealistisch aussehen und jede Gestik und Mimik der Personen abbilden. Zudem könnte die Besprechung um interaktive Formate ergänzt werden. Das ist nur ein kleines Beispiel dafür, wie es aussehen wird, wenn physische Welt und das Web verschmelzen. Jetzt geht es darum, sich die Frage zu stellen, was das für uns bedeutet? Für den Glasfaserausbau hat dies mit Sicherheit zur Folge, dass 50 Mbit/s nicht reichen werden, 100Mbit/s sicherlich auch nicht. Der 5G Netzausbau als mobile Ergänzung oder Festnetzersatz muss dementsprechend ebenfalls vollendet und zudem als 5G Standalone, also ohne LTE-Anker verfügbar sein. Vermutlich wird für viele Szenarien gar 6G benötigt.
Das heißt, bei STF macht man sich bereits jetzt Gedanken darum, wie der Breitband- und Netzausbau der Zukunft gestaltet werden sollte?
Stefan: Natürlich machen wir uns Gedanken wie der Ausbau der Zukunft gestaltet werden kann. Aber vor allem drehen sich unsere Gedanken darum, welche Technologien in Zukunft dominieren werden und was dementsprechend heute beim Ausbau berücksichtigt werden muss. Und da mache ich mir Sorgen. Ich habe den Eindruck, dass man sich in der Politik bisher nicht ausführlich mit diesem und anderen Fortschrittsthemen auseinandergesetzt bzw. ein Bewusstsein über die Bedeutung gemacht hat. Für STF betrachten wir das Thema aber auch aus anderen Gründen.
Aus welchen Gründen denn? Ist das Planen des Ausbaus nicht schon komplex genug?
Stefan: Die Frage stellt sich gar nicht, Komplexität hin oder her. Grundsätzlich empfiehlt es sich, auf Herausforderungen nicht nur monoperspektivisch zu schauen. Klar, wir könnten uns jetzt auf die Schulter klopfen und sagen: Prima, wir haben analysiert, welchen Einfluss die Zukunft auf eines unserer Kerngeschäfte hat und uns zudem freuen, dass die Aussichten nicht schlecht sind. Das ist aber zu kurz gegriffen. Ich habe eben am Beispiel eines Meetings aufgezeigt, wie die Zukunft aussehen könnte. Und hier erkennen wir schnell, welchen Impact ein Konstrukt wie das Metaverse auch auf die Art wie wir miteinander arbeiten und kommunizieren werden, haben wird. Besonders wenn zudem künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt. Um das Ganze an dem Beispiel weiterzuführen: Unser neue STF-Standort Münster wird von einer Agentur gestaltet werden. Darauf abgestimmt werden Möbel gekauft. Wenn das Leben und damit auch das Arbeiten aber zukünftig in einem Hybrid aus physischer und digitaler Welt stattfindet, wird man dementsprechend nicht nur nach konventionellen Mobiliar Ausschau halten, sondern eben auch nach digitalen Möbeln. Das bedeutet, dass zukünftig neue Berufszweige und Geschäftsmodelle entstehen werden, wie beispielsweise Designer für digitale Möbel und entsprechende Händler dafür, um nur beispielhaft eine kleine Auswirkung zu zeigen.
Kommt hier das Thema Blockchain zu tragen?
Stefan: Das ist gut möglich, dass auch solches digitale Mobiliar als NFT in limitierter oder einmaliger Auflage angeboten wird, es also tokenisiert wird und dementsprechend Blockchain-Technologien zum Einsatz kommen. Das ist für uns aber hinsichtlich Blockchain und NFT weniger interessant bzw. hat keinen direkten Bezug zu unseren Geschäftsfeldern. (Anmerkung der Redaktion: NFT steht für Non Fungible Token und stellt ein nicht ersetzbares, digital geschütztes Objekt dar. Der NFT erhält einen exklusiven Eintrag in einer Blockchain und ist damit einzigartig. Dies schafft auch die Voraussetzung, digitale Objekte zu limitieren).
Beschäftigt sich die STF mit dem Thema Blockchain und NFT bzw. gibt es Anwendungsszenarien für Blockchain und NFT in der STF?
Stefan: Für unser neuestes Unternehmen UpFlat, welches als Proptech und Immobilienmanagementplattform alle Akteure der Immobilienwirtschaft zusammenbringt, können Blockchain und NFT durchaus interessant sein. Hier sehen wir ganz konkret Potenziale im Bereich Smart Contracts, zur Festlegung und Überwachung von Vertragsinhalten, dem automatischen Ausführen von Aktionen, wenn ein bestimmtes vorgegebenes Ereignis vorliegt. Auch das teilweise Ersetzen von Notarleistungen durch die Blockchain bzw. das Grundbuch in der Blockchain könnten in der Immobilienbranche eine Rolle spielen. Die beiden letzten Aspekte würden die Kaufnebenkosten deutlich senken und mehr Effizienz ermöglichen. Auch die Tokenisierung von Immobilien und die damit verbundene Aufteilung bzw. der Verkauf an eine Vielzahl von Investoren ist ein interessanter Ansatz. Ein weiteres Szenario ist das Management von rein virtuellen Immobilien und Grundstücken, welche in Form von NFTs in einem Metaverse ebenfalls verwaltet und auch gehandelt werden könnten.
Im Vorgespräch zum Interview sagtest du, dass Dir das Wort reale Welt nicht gefällt. Kannst du das genauer erläutern?
Stefan: Ich halte die Bezeichnung der physischen bzw. analogen Welt als reale Welt zur Abgrenzung zur virtuellen Welt für nicht zutreffend. Ohne philosophisch werden zu wollen, suggeriert der Begriff reale Welt doch, dass die digitale Welt nicht echt ist. Dies würde wiederum implizieren, dass alle dort vollzogenen Aktivitäten keinen Einfluss auf die physische Welt haben können. Schon jetzt sehen wir, dass dies nicht stimmt. Wir kaufen online ein, wir kommunizieren online, usw. All diese in der digitalen Welt vollzogenen Aktivitäten haben einen Einfluss auf die physische Welt. Konstrukte wie das Metaverse werden die Verbindungen, Abhängigkeiten und Inferenzen noch deutlich verstärken.
Ein Stückchen Metaverse bieten STF und UpFlat ihren Kunden bereits in Form von Digitalen Zwillingen an.
Stefan: Hier von Metaverse zu sprechen, ist übertrieben. Aber wir zeigen unseren Kunden mit den Digitalen Zwillingen von Gebäuden und Anlagen auf, welche Vorteile die Digitalisierung von physischen Objekten schon jetzt bringt, beispielsweise schnellere Planungen, sinkende Kosten sowie die Simulation von unterschiedlichen Szenarien. Aber es stimmt schon, wenn man mit einer VR-Brille sowie den passenden Hintergrundgeräuschen einen Digitalen Zwilling begeht, bekommt man einen Eindruck davon, wie die Zukunft aussehen könnte.
Jetzt haben wir viel über digitale Innovationen gesprochen. Siehst du weitere Bereiche, die einen großen Wandel hervorbringen werden oder wo ein Wandel benötigt wird?
Stefan: In beiden Kontexten sehe ich dies. In die Biotech-Branche fließt viel Kapital in Forschung & Entwicklung. Die schnelle Entwicklung und das zügige auf den Markt bringen eines mRNA-Impfstoffs zeigen, was möglich ist. Vielleicht gelingt bald schon ein großer Durchbruch gegen Krebs, Diabetes, Alzheimer oder andere Krankheiten. Wo hingegen viel mehr Innovationskraft gefragt ist, sind Erfindungen und Ideen zu den Themen Umweltschutz und Erderwärmung. Hier geschieht zu wenig. Vielleicht liegt es daran, dass es weiterhin an staatlichen Anreizen fehlt, Verursacher negativer externer Effekte für diese nicht aufkommen müssen und auch daran, dass das Ursache-Wirkung-Prinzip bewusst ignoriert wird. Es ist aber davon auszugehen, dass der Druck auf Gesellschaft und Unternehmen durch staatliche Einflüsse steigen wird. Unternehmen sind deswegen gut beraten, schon jetzt umzudenken, denn auch die Erwartungshaltung der Konsumenten wird steigen. Sie wollen kein schlechtes Gewissen haben müssen, wenn sie sich für eine Marke entscheiden. Aus diesem Grund sollten speziell produzierende Unternehmen genau analysieren, wie CO2-Emissionen gesenkt und der Einsatz von umweltschädlichen Stoffen reduziert werden können. Dies kann einerseits durch die Substitution der in der Produktion verwendeten Materialien erfolgen, sodass möglichst viel schädliches Material weggelassen oder gegen umweltschonenderes Material ausgetauscht wird. Hier sehe ich speziell im Bereich der Verpackungsmaterialien, mit denen die Kernprodukte umschlossen sind, Potenzial. Andererseits liegen aber häufig unentdeckte Potenziale im Bereich der Energieeffizienz in der Produktion sowie in der Bauweise, Gebäudetechnik und der Nutzung von Gebäuden. Auch die Digitalisierung der Produktion, hier kommen wir wieder zum Eingangsthema zurück, nämlich der Erstellung eines Digitalen Zwillings von Fabriken und Produktionswerken, ermöglicht beispielsweise die CO2-freundliche Szenarienbildung von Produktionsabläufen als auch die datengesteuerte Produktion, mit der Emissionen überwacht und gesteuert werden können.